Keine Sorgen wegen Niedrigzins

Das Verhalten der Sparer und Anleger verändert sich. Eine aktuelle Studie über das Anlageverhalten der Deutschen zeigt dass Vorsorgesparer auf den dauerhaften Niedrigzins der Finanzpolitik reagieren.
(db) Die anhaltend niedrigen Zinsen wirken sich stärker auf das Anlageverhalten der Deutschen aus. 45 Prozent der Deutschen geben aktuell an, dass dieser Umstand den größten Einfluss auf ihre Anlageentscheidungen hat. Eine noch stärkere Auswirkung auf das Anlageverhalten hat nur die eigene finanzielle Situation mit 55 Prozent. Das sind zwei zentrale Ergebnisse einer Studie zum Anlageverhalten der Deutschen, welche die Investment-Tochter der Gothaer Versicherungsbank VVaG von der forsa Politik- und Sozialforschung im Januar 2018 zum neunten Mal durchführen ließ.
Niedrigzins hat Sparer aufgeweckt
Die Auswirkungen von Niedrigzins und Negativrenditen zeigen sich ebenso deutlich bei der Wahl der Anlageformen. Seit Jahren sind Investitionen in klassische Instrumente wie Sparbücher oder Bausparverträge rückläufig, doch hat sich dieser Trend 2018 im Vergleich zum Vorjahr noch einmal beschleunigt. Das Sparbuch liegt zwar auf der Beliebtheitsskala mit 39 Prozent noch immer an erster Stelle, 2017 waren es aber noch 45 Prozent, 2015 sogar 51 Prozent. Ähnlich verhält es sich mit Bausparverträgen: 2015 investierten hier noch 35 Prozent der Deutschen, 2018 sind es nur noch 28 Prozent.
Niedrigzins oder mehr Rendite mit Risiko?
Anlageformen, die mehr Rendite erwarten lassen, erfreuen sich hingegen wieder steigender Beliebtheit. Jeder fünfte Deutsche investiert mittlerweile in Fonds, im Vorjahr waren es 17 Prozent. Dementsprechend nimmt auch die Risikobereitschaft der Bundesbürger wieder zu: 26 Prozent der Befragten wären bereit, bei der Geldanlage zu Gunsten einer höheren Rendite ein höheres Risiko einzugehen. 2017 waren es mit 20 Prozent noch sechs Prozentpunkte weniger.
Kritik zur Finanzpolitik wächst
Zugleich wird auch die Kritik an der Niedrigzinspolitik der EZB immer lauter. Mittlerweile halten 57 Prozent der Bundesbürger die Niedrigzinspolitik der EZB für falsch. 2016 waren es mit 46 Prozent noch 11 Prozentpunkte weniger. Die Zustimmung zu dieser Politik sinkt damit weiter und liegt aktuell bei nur noch einem Drittel der Befragten. Besonders kritisch sieht die Altersgruppe der über 60-Jährigen diese Politik: 68 Prozent stehen ihr skeptisch gegenüber.
„Den Deutschen wird immer stärker bewusst, dass sie als Sparer mit am stärksten von der Niedrigzinspolitik betroffen sind und ihre Altersvorsorge gefährdet ist. Vor dem Hintergrund der geringen Renditen oder inflationsbereinigt sogar negativen Zinsen suchen sie nach Alternativen mit Rendite wie zum Beispiel Fonds“, sagt Christof Kessler, Vorstandssprecher der Gothaer Asset Management AG (GoAM).
Fonds und Aktien statt Niedrigzins
Alternativen mit mehr Ertrag als Niedrigzins-Anlagen sind der Mehrheit der Deutschen durchaus bekannt. Nach Anlageformen mit höherer Renditeerwartung gefragt, nennen 28 Prozent der Befragten an erster Stelle Immobilien, wenngleich die Investition in diese Anlageform von 30 Prozent im Vorjahr auf 26 Prozent gesunken ist. Höhere Gewinne versprechen sich die Deutschen auch von Aktien und Fonds. Diese wurden von 26 bzw. 11 Prozent als renditestark genannt. Vor einem Jahr waren dies 24 bzw. acht Prozent. 40 Prozent der Befragten konnten keine Alternative benennen.
Angst vor Inflation
Die anhaltende Verunsicherung der Anleger zeigt sich auch bei der Angst vor einer Inflation, die sich seit Jahren auf einem hohen Niveau bewegt. 63 Prozent der Befragten befürchten aktuell, dass es zu einem starken Preisanstieg und zu einer Entwertung der Geldanlagen kommt, 2017 waren es ebenfalls 63 Prozent, 2015 mit 55 Prozent noch deutlich weniger.
Angst vor sinkendem Lebensstandard
Die Sorge um einen sinkenden Lebensstandard hegt über alle Altersgruppen die Hälfte der Deutschen, unter den 30- bis 44-Jährigen befürchten sogar 57 Prozent, dass ihre Geldanlagen später nicht ausreichen, um ihren jetzigen Lebensstandard zu halten. Bei den 45- bis 59-Jährigen sind es mit 60 Prozent noch etwas mehr. Die Angst vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone ist hingegen trotz des bevorstehenden Austritts der Briten (Brexit) mit 30 Prozent deutlich gesunken (Vorjahr 38 Prozent).
Regierungspolitik ohne Einfluss
Dazu passt auch, dass nur 21 Prozent der Befragten sagen, dass politische Entwicklungen einen Einfluss auf ihr Anlageverhalten haben. Dementsprechend sehen die Deutschen auch keine Notwendigkeit, ihre Geldanlagen in nächster Zeit umzuschichten. Im Gegenteil: Noch etwas stärker als in den Vorjahren halten die Deutschen an ihrem bestehenden Portfolio fest, 91 Prozent planen keine Veränderung bei ihren bestehenden Geldanlagen (Vorjahr 87 Prozent).
Flexibel Sicherheit und Risiko kombinieren
Sicherheit ist unverändert für 52 Prozent der Bundesbürger das entscheidende Kriterium bei der Geldanlage, 2016 waren es mit 54 Prozent allerdings noch etwas mehr. Flexibilität wünschen sich 30 Prozent, eine hohe Rendite ist gleichbleibend für neun Prozent wichtig.
Dietmar Braun (db)