Öl, Geld und Klima – startet das Wasserstoff-Zeitalter?
Erdöl ist für viele Menschen der Inbegriff für Umweltverschmutzung, Raubtier-Kapitalismus, die Araber und reiche Ölscheichs. Vielleicht stehen wir jetzt direkt vor dem Wasserstoff-Zeitalter.
(db finanzwelt 2020-04-30) Der Preisverfall beim Ölpreis ist eine Art neuer „Black Monday“. Da mussten in den USA Ölproduzenten zeitweise 40 Dollar pro Barrel (159 Liter) dafür bezahlen, dass Kunden ihnen ihr „schwarzes Gold“ im Mai 2020 noch abnehmen. Das ist in der Geschichte dieses Marktes, nicht in der Weltwirtschaftskrise von 1929 passiert, der „Black Friday“ hatte aber sehr harte Folgen nicht nur, aber auch für die Spekulanten.
Steuer zapfen an der Tankstelle
Der deutsche Staat erhebt nach wie vor Mineralöl- und Umsatzsteuer. Die Abgaben an der Zapfsäule belaufen sich bei einem Liter Super auf etwa 84 Cent. Die Einnahmen sinken aber insgesamt, zudem noch weniger, mit dem Auto und anderen Kraftfahrzeugen gefahren wird. Auch die Heizöl-Tanks sind irgendwann mit dem billigen Diesel gefüllt. Und dann?
Hält der Frieden in der Welt?
In Schwellen- und Entwicklungsländern könnte der wochenlange Preisverfall noch schlimmere Folgen haben. Der „Spiegel“ fragt in seiner aktuellen Online-Ausgabe zu Recht: Wie soll Nigeria – das bislang mehr als 80 Prozent seiner Exporteinnahmen mit Erdöl erwirtschaftete – seine 200 Millionen Einwohner ernähren? Geht das von Mangelwirtschaft geplagte Venezuela nun endgültig bankrott, und bricht dann ein Umsturz aus? Was wird aus dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Libyen?
Wie verhalten sich die radikalen Kräfte im Iran, einem Land, das durch Spannungen mit den USA, die Sanktionen und die Corona-Epidemie in Bedrängnis geraten ist? Wie stabil bleibt noch Saudi-Arabien, wenn die Herrscherfamilie keine Petro-Milliarden mehr über das Volk regnen lassen kann? Und was macht vor allem Russland? Für einen ausgeglichenen Haushalt würde Staatschef Wladimir Putin für seinen Rohstoff-Staat einen Ölpreis von 51 Dollar je Fass brauchen – etwa doppelt so viel, wie die europäische Standardsorte Brent derzeit kostet. Das kann sein Erdgas-Verkauf nicht ausgleichen.
Wenn Erdöl der Schmierstoff der Weltwirtschaft ist, dann ist diese nun komplett ins Knirschen geraten. Die Leit- und Kreditzinsen sind schon lange negativ oder bei Null – und nun auch der Preis des meistgehandelten Rohstoffs der Erde. Denn von beidem ist zu viel da: zu viel Geld, zu viel Öl. Wie soll das auf Dauer gut gehen? Das fragen sich nicht nur Expertinnen. Prof. Dr. Maja Göpel mahnt für die Gruppe „Science for Future“ jetzt ein „radikales Umdenken in der Finanzwelt und Wirtschaft“.
Banker und das Zocken
Ganz übel könnte es am Kapitalmarkt für US-Unternehmensanleihen werden. Wegen des niedrigen allgemeinen Zinsniveaus, haben viele institutionelle Anleger hochverzinste Schuldverschreibungen von Ölfirmen. Sollten diese Fracking-Firmen nun reihenweise zahlungsunfähig werden, könnte das den nächsten Crash in der Finanzwelt auslösen – und Banken, Investment-Fonds oder viele andere Gläubiger destabilisieren. Dieser Crash könnte beweisen, wie gefährlich die Abhängigkeit vom Erdöl rund um den Globus real ist.
Prima für das Klima
Die Umwelt und der Klima-Schutz verlangen ein sehr radikales Umdenken in der Energie-Politik, das könnten die Anfänge des Wasserstoff-Zeitalters und die Nutzung anderer nachhaltiger Ressourcen sein. So könnte sich die Krise als echte Chance für die Menschheit erweisen, wenn nur der Friede hält und nicht noch mehr militärische Kämpfe um Ressourcen ausbrechen.
Dietmar Braun, freier Fachjournalist Wirtschaft (DFJV)