Die Dosis macht das Gift

In schwierigen Zeiten ist die Herausforderung eine richtige Dosierung. Abstand halten, Hygiene und Meinungen hinterfragen sind angesagt. Die ideale Kombination in der vorübergehenden Absurdität.

Abstand halten – und an Bausparen denken /Foto: db Media Duetmar Braun

In der Lockerungs-Phase versuchen jetzt extremistische Gruppen und Akteure jedweder Herkunft sowie Verschwörungs-Theoretiker, Esoteriker, Impfgegner, Fanatiker und einige Selbstdarsteller, ihren Protest sowohl realweltlich als virtuell in den sozialen Medien zum Ausdruck zu bringen.

Giftzwerge – Aufmerksamkeit um jeden Preis

Die meist kleinen Minderheiten melden sich jetzt lautstark und aggressiv zu Wort und versuchen bevorzugt anonym in den sozialen Medien den Diskurs zu bestimmen, dabei durchmischen sich die Protest-Milieus unabhängig von deren jeweiligen Ideologie. Giftzwerge haben jetzt Oberwasser.

Die Akteure versuchten, in  populistischer und häufig aggressiver Manier, rechtsstaatliches und demokratisch legitimiertes Handeln zu diskreditieren. Das Vertrauen in Regierungen, Parlamente und Justiz soll erschüttert oder in Frage gestellt werden. Berufung auf ein Widerstandsrecht dient hier der Rechtfertigung, teilweise verknüpft mit der Propagierung von Gewalt, wird oft sehr bewusst ein Klima erzeugt, das die Gefahr einer Radikalisierung bis hin zur Ausübung von Gewalt in sich birgt.

Gefährliche Mitbürger machen Meinung

Selbsternannte Reichsbürger oder „Selbstverwalter“ weigern sich, die heue gültige bundesdeutsche Rechtsordnung anzuerkennen, viele dieser Menschen argumentieren, das alte Deutsche Reich oder auch Deutschland in den Grenzen von 1937 gelte rechtlich fort. Aus vereinzelter politischer Spinnerei ist im Lauf der Jahre eine als verfassungsfeindlich und gefährlich eingeschätzte Bewegung geworden. Nach Angaben des Bundesamts für Verfassungsschutz gibt es schon 20.000 Reichsbürger, von denen werden aber nur ein Tausend in Deutschland offiziell als rechtsextrem und gewaltbereit eingestuft. Bausparkassen, Erst-Versicherer, Behörden und am Ende die Gerichte hatten mit diesem schwierigen Publikum schon vor der Krise „reichlich“ an Erfahrungen gesammelt.

Exotische Meinungen im Aufwind

In Krisenzeiten haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur, egal ob von links oder rechts. Es gilt die Szene aus Reichsbürgern, „Preppern“ und Rechtsextremisten ernst zu nehmen. Diese Gruppen wittern in der Corona-Krise die Chance, bisher getrennt voneinander agierende radikale Bewegungen zu bündeln. Selbst in Kreisen, in denen die Sicherheitskräfte es nicht für möglich gehalten hätten, fällt das Gedankengut der Szene nun auf fruchtbaren Boden. Dazu zählen christliche Fundamentalisten, Oberlehrer-Typen, Blockwart-Nostalgiker, Anhänger von obskuren politischen Ansichten und sogar Bewunderer von Folter oder Todesstrafe. Einige der Verschwörungstheoretiker sind harmlos, andere neigen zur Gewalt, insbesondere Radikale die über legale oder illegale Waffen verfügen. Den Medien kommt eine besondere Verantwortung zu, nicht jede Schlagzeile und Einschaltquote zählt und nicht jeder oder jede gehört als Gast oder Epidemie-Experte in eine Talk-Show.

Protest und die Anrufung der Justiz

Der friedliche und demokratische Widerstand gegen Politiker und Staat mit dem Ziel einer späteren Überprüfung der getroffenen Maßnahmen, insbesondere des wirtschaftlich folgenschweren „Lock-down“ und einiger Berufsverbote ist legal. Gleichheit heißt dass in Krisen eben nur Gleiches gleich behandelt werden soll, die Differenzierung bei persönlicher Freiheit, Berufs-Ausübung, Gaststätten, kulturelle Veranstaltungen und Sport müssen gerichtlich im Sinne des Verständnisses von deutschen Grundrechten gerichtlich überprüft werden.

Das Recht auf freie Meinungs-Äußerung und Pressefreiheit waren in Deutschland stets gewährleistet. Spannend dürfte die Angemessenheits-Prüfung aller Maßnahmen von den Politikern bei den damals vorliegenden Fakten seitens der Verfassungsgerichte werden, da muss sich Politik und Macht eben ihrer Verantwortung stellen. Das ist der Sinn der Teilung von Gewalten in unserer Demokratie.

Toleranz gehört zur Demokratie

Es ist erstaunlich wie es die Gesellschaft verändert, wenn alles langsamer, weniger und einsamer wird. Negativ sind die Auswirkungen der Schutz-Maßnahmen auf die Wirtschaft und die Situation von Freiberuflern und Selbständigen. Das Eigenkapital und Rücklagen schmelzen dahin, wie der Schnee in der Sonne. Positiv sind nur der Ausbau von Heimarbeit und die Beförderung des Online-Handels.

Wer für Grundrechte auf die Straße geht, sollte einmal den Grund-Gedanken der Toleranz zulassen. Die nach der Meinung einiger Demonstranten „Bösen“ haben die gleichen edlen Motive in ihrem Handeln wie die selbst ernannten „Guten“. Alle sind jetzt in Sorge, alle versuchen das Beste für ihre Lieben. Die Polarisierung in die „Bösen“ dort und die „Guten“ hier hilft in der Pandemie nicht weiter. Denn die Bösen denken selbst, dass sie jetzt die Guten seien. Nur Widerstand heilt nicht jedes Mittel.

Geld, Soziales und Gemeinsinn

Am Ende zählen die Wirtschaft und die Kultur. Die Arbeitsplätze haben eine echte System-Relevanz. Und ganz zum Schluss sei daran erinnert, dass der Mensch Gemeinschaft braucht, Soziales zählt auch. Der richtige Zeitpunkt über Vorsorge nachzudenken, vom Bausparvertrag bis zur Privatrente, oder?

Dietmar Braun, freier Fachjournalist (DFJV), Hochschuldozent für Risiko-Management

Dietmar Braun

author,writer,Insurance and Bank,University Heilbronn,State University Baden-Württemberg,Texter,55 Years,married,one child

Schreibe einen Kommentar