Wie in fast jedem Jahr ist die BBG in der Sozialversicherung 2023 angehoben worden. Die Regierung will auch in 2024 wieder deutlich erhöhen.

Sozialversicherung – die Regierung übertreibt

Experten warnen
Experten warnen in der Sozialversicherung. /Foto: Dietmar Braun

Wie in fast jedem Jahr sind die Beitragsbemessungsgrenzen (BBG) in der Sozialversicherung 2023 angehoben worden. Die Regierung will auch 2024 erneut deutlich erhöhen.

(db finanzwelt 2023-07-10) In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung stieg die BBG gleich um 1.800 Euro auf aktuell 59.850 Euro. Bis zu diesem Bruttoeinkommen ist Beitrag zu zahlen, oberhalb der Grenze nicht.

Gleichzeitig stieg die sogenannte Versicherungspflichtgrenze um 2.250 Euro auf aktuell 66.600 Euro Bruttoeinkommen pro Jahr. Das sind umgerechnet 5.550 Euro brutto pro Monat. Nur wer als Arbeitnehmer mehr verdient, darf in die private Krankenvollversicherung (PKV) wechseln. Im Vorjahr lag die Grenze noch bei 5.362,50 Euro. Damit erhöhte die Politik die Grenze für Gutverdiener, von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die PKV zu wechseln.

Drastische Anhebung in der Sozialversicherung
Dieser Trend dürfte auch 2024 anhalten, zur Debatte steht von SPD und Grünen eine Erhöhung auf die Höhe der BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung (aktuell: 87.600 Euro pro Jahr, also 7.300 Euro brutto pro Monat). Freiwillig gesetzlich Versicherte müssten damit eine Erhöhung von über 47 Prozent hinnehmen.

Der demografische Wandel holt sowohl die GKV sowie die gesetzliche Pflegeversicherung ein. Die Prämieneinnahmen reichen nicht mehr aus, um die Ausgaben zu decken.

Das Gegenteil wäre für die Sozialversicherung gut

„Schon schielt man in der Politik auf einmalige Erträge und denkt schon zur Jahresmitte über eine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze nach, ab der der Wechsel in die PKV überhaupt möglich ist“, schreibt Carsten Zielke im Vorwort der Studie „Private Krankenversicherer: keine Pflegekandidaten“. In der gesetzlichen Pflegeversicherung wurden gerade die Beiträge erhöht.

Dies sei von der Regierung zu kurz gedacht, so der Geschäftsführer von Zielke Research Consult. Zwar würde eine erhöhte Pflichtgrenze einerseits mehr Kunden in der GKV halten beziehungsweise dorthin zurückbringen. Andererseits würde durch diese Erhöhung auch der maximale Beitragssatz erhöht.

Vergessen wird zudem, dass allein die privat Krankenversicherten das Überleben vieler Arztpraxen sichern.

„Seit nahezu 30 Jahren wurden die Tarife nicht angehoben, womit jede Arztpraxis seit Mitte der 90er Jahre mehr als 50 Prozent des Realeinkommens pro Patienten verloren hat“, mahnt Zielke.

Dabei haben die privat Versicherten 2021 laut PKV-Verband zu 20,4 Prozent der Erträge von Arztpraxen beigetragen, obwohl sie nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen.

„Sinnvoller wäre es also, die BBG in der GKV abzusenken, um mehr Erwerbstätigen die Wahl zwischen zwei Systemen zu ermöglichen, den Wettbewerb zu fördern und damit das Gesundheitssystem zu stabilisieren“, schlägt Zielke vor. Bei Beamten passiere dies bereits.

PKV-Anbieter besser als Sozialversicherung
Die Senkung der Einkommensgrenze für die PKV ist unter diesem Aspekt sinnvoll, ist sie realistisch? Was die Politik der Regierung betrifft, eher nicht. Was die Bereitschaft der PKV angeht, sicher ja. Wie die Solvenz-Berichte von 36 privaten Krankenversicherern zeigen, ist die reine Solvency-II-Quote 2022 im Schnitt leicht auf 516 Prozent gestiegen (2012: 504 Prozent), auch dank Beitragsanpassungen. Laut dem Marktbeobachter Map-Report sind die Beitragseinnahmen der Branche 2022 um 3,8 Prozent auf 46,9 Milliarden Euro gewachsen. Zusätzlich hat die PKV eine Beitragssicherung für ihre Versicherte.

Die Solvenzquote weist aus, zu wie viel Prozent ein Unternehmen mögliche Risiken bewältigen kann. Es ist das Verhältnis der Eigenmittel zu den möglichen Verpflichtungen gegenüber Versicherten – auch unter extremen Bedingungen. Faktisch hat laut Studie aktuell jedes Unternehmen eine mehr als ausreichend hohe Quote und könnte auch weiteren Kundenzustrom bei der PKV-Vollversicherung locker verkraften.

Eine große Stabilität vor weiteren Beitragssteigerungen, die seit 2013 im Schnitt um 2,8 Prozent pro Jahr innerhalb der PKV-Branche betrugen (GKV: + 3,4 Prozent), weisen laut Studie 14 Versicherer auf. Weitere 13 werden neutral eingestuft, und bei zehn Anbietern geht Zielke von weiteren Prämienerhöhungen aus, weil der Solvenz-Mix nicht optimal ist.

Das brandaktuelle Rating PKV-Beitragsstabilität (externer Link) des Analysehauses Morgen & Morgen bestätigt auch 2023 mit 2,04 Prozent (2022: 2,07 Prozent) Anpassung die Tendenz der leichten Beitragssteigerung im Neugeschäft. Ergebnis: Von über 1.000 untersuchten Tarifen wird über der Hälfte mindestens eine sehr gute Beitragsstabilität attestiert.

Dietmar Braun, freier Fachjournalist (DFJV)


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